Graues Land by Michael Dissieux

Graues Land by Michael Dissieux

Autor:Michael Dissieux [Dissieux, Michael]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Tags: ebook, epub
ISBN: 9783943408027
Herausgeber: LUZIFER-Verlag Steffen Janssen
veröffentlicht: 2012-01-06T23:00:00+00:00


Harv

I

An diesem Abend spüre ich die Kälte in meinen Knochen als bestünden sie aus Papier. Ich stehe in der Küche und bereite das Abendessen. Dabei halte ich mich der Verandatür zugewandt und achte auf jedes verdächtige Geräusch, das aus dem Garten zu mir dringt.

Die kleine quadratische Scheibe in der Tür habe ich von innen mit Holz vernagelt. Zwei Kerzen brennen auf dem Tisch, auf dem ich die Mahlzeiten zubereite. Im Ofen knistert feuchtes Holz.

Den Generator im Schuppen habe ich nicht anzuwerfen gewagt. Die Euphorie des Morgens, als ich die Fenster verriegelt und unser Haus in eine vermeintlich sichere Festung verwandelt hatte, ist nach den Geschehnissen in Dannys Haus einer eiskalten, lähmenden Furcht gewichen. Auf keinen Fall möchte ich die Kreaturen im Wald durch das Klappern der alten Maschine im Schuppen in die Nähe des Hauses locken.

Das Bild von dem Ding in Dannys Schlafzimmer, das einmal Cindy gewesen ist, hat sich wie das Abbild eines besonders grässlichen Traumes in meine Gedanken gebrannt. Ihre Worte martern noch immer meine zitternde Seele.

Doch noch schlimmer ist der Anblick meines toten Freundes. Das Abbild erscheint, sobald ich die Augen schließe. Auch wenn ich nur blinzele, sehe ich in diesen Bruchteilen von Sekunden den zerfetzten Leichnam Dannys, wie er auf der Couch sitzt und darauf wartet, dass sein alter Kumpel Harv mit einem Bier zurückkommt. Selbst der Gestank nach Pulver und Blut scheint die Küche zu schwängern.

Alles dreht sich in meinem Kopf. Es kommt mir vor, als würde sich die Welt um mich herum ständig verzerren. Manchmal habe ich das Gefühl nach links umzufallen. Dann wieder denke ich, dass ich jederzeit nach hinten gegen die Wand fallen müsste.

Während ich eine Banane, deren Schale bereits braun ist, in kleine Stücke schneide, wird das Bild der Küche ständig von den toten Augen des Cindy-Dings überblendet, die mir aus der Dunkelheit des Schlafzimmers entgegengestarrten. In meinen Ohren kann ich immer noch das träge Schlurfen von Schritten hören, die sich der Tür nähern, sowie das Rascheln dreckiger, blutverkrusteter Kleidung.

Ich sehe meinen Händen dabei zu, wie sie die Banane in eine Schale schieben und mit Milch übergießen, deren Haltbarkeit fast abgelaufen ist. Das sind nicht meine Hände. Die Bewegungen erscheinen mir wie in Zeitlupe. Dann lassen sie heißes Wasser aus dem alten Blechtopf vom Ofen in zwei Tassen mit Teebeuteln fließen, greifen nach der mit Blumen verzierten Dose und lassen zwei Zuckerwürfel in die eine Tasse fallen, die meine ist. Während die Finger nach dem kleinen Löffel greifen, um den Zucker zu verrühren, hebt sich mein Blick und heftet sich auf das vernagelte Rechteck, wo sich das Fenster der Verandatür befindet.

War da ein Geräusch?

Ich halte inne. Der Geruch frisch aufgebrühten Tees steigt mir in die Nase. Ich kann die Hitze des Wassers an der Hand spüren, die den Löffel hält.

Ich glaube Cindys Stimme zu hören, die meinen Namen flüstert.

Alles bleibt ruhig.

Als ich die beiden Tassen auf das Tablett zu Sarahs Banane und den zwei Brotscheiben stelle, deren Kruste leichte Schimmelränder aufweist, verharre ich kurz in meiner Bewegung und schließe die Augen. Der Geruch, der mir vom Tablett entgegensteigt, erinnert mich an bessere Zeiten.



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